Polnische Brauereikultur: Bier und mehr auf der Reise

Andreas Kleinberg
Andreas Kleinberg 8 Min. Lesen

Bestimmt fragen sich viele von Ihnen, welche besonderen Vergnügen und Freuden des Lebens während eines Besuchs in Polen zu erwarten sind. Reiche Kultur, historische Sehenswürdigkeiten, wilde Natur, klar. Aber das kann doch nicht alles sein. Nach dem ganzen Tag Besichtigung oder Wanderung und müde von Kultur und Natur möchte man doch am Abend lokale Spezialitäten erkunden und probieren. Dazu gehört selbstverständlich auch polnisches Bier.

Reich an Traditionen und doch wenig bekannt

Die polnische Brauereikultur ist eine der ältesten und vielfältigsten in Europa. Die Geschichte des Bierbrauens in Polen reicht bis ins frühe Mittelalter zurück, als Mönche begannen, Bier für religiöse Feste zu brauen. Gott sei Dank braucht man heute diesen sakralen Hintergrund nicht unbedingt zu beachten. Im Laufe der Zeit wurde das Bier „säkularisiert“ und es entwickelten sich diverse Biersorten und Braumethoden in verschiedenen Regionen Polens, was zur Etablierung einer vielfältigen Brauereikultur führte.

Heute gibt es in Polen eine große Anzahl von Brauereien, von kleinen handwerklichen Brauereien bis hin zu großen, international bekannten Marken. Einige der bekanntesten sind Tyskie, Żywiec, Okocim, Lech, sowie die von Browar Stu Mostów, Browar Pinta, Browar Amber, Browar Kormoran und vielen weiteren Brauereien hergestellten Produkte. Polnische Brauereien sind für ihre innovativen und experimentellen Braumethoden bekannt und produzieren eine große Vielfalt an Biersorten, von denen manche nur in lokalen Brauereien, Lokals und Bierläden zugänglich sind. Umso mehr lohnt es sich deswegen eine Runde durch Polen.

Bis vor Kurzem galt polnisches Bier als wenig bekannt. Es stellt sich jedoch heraus, dass ihm in Bezug auf Qualität und Trinkbarkeit an nichts fehlt und es eine interessante Alternative zu den klassischen und verbreiteten Biersorten in Europa darstellen kann. Daher auch seine wachsende Popularität, unter anderem in Großbritannien und in Deutschland.

Craft-Beer-Revolution

Besonders in letzter Zeit ist die Craft-Beer-Szene im Land sehr stark geworden. Man spricht sogar von einer Bierrevolution seit 2011, die viele lokale Brauereien und kleine Marken hervorbrachte. Die neuen Biersorten sind immer besser zu finden und werden immer häufiger den klassischen Marken vorgezogen. Hier ereignet sich nämlich auch ein Geschmackswandel – von den klassischen untergärigen, bitteren Biersorten wie Lager und Pilsner zu den kontrastierenden, vollen, vor allem obergärigen Biersorten wie Ale, Weizenbier oder Stout.

Ein wichtiger Teil der polnischen Brauereikultur ist die lokale Identität und das Engagement für die Gemeinschaft. Viele polnische Brauereien unterstützen Künstler, Musiker und Wohltätigkeitsorganisationen und organisieren Festivals und Veranstaltungen für die lokale Bevölkerung. Durch den Aufstieg kleiner Brauereien gewinnen auch einzelne Regionen an Profil.

Wenn trinken, dann in Gesellschaft

Auf diese Weise ändert sich auch das Bild des Alkoholtrinkens in Polens – von starken Spirituosen, die pur getrunken werden, wie Vodka, zu raffinierten und ausgesuchten Alkoholsorten, wie Whisky, Brandy, Wein und Bier mit all ihren bisher unbekannten Varietäten. Polen entdeckt eine neue Trinkkultur und das ist mit bloßem Auge sichtbar – blühende Winzereien in Hanglage im Süden, lokale Brauereien und Destillerien, spezielle Regale in Supermärkten, die seltene Alkoholsorten bieten, freilich auch mehr Diversität bei Familienfeiern und Freundestreffen. Vorrang wird jetzt dem Geschmack, dem Wissen und dem gemeinsam geteilten Trinkerlebnis gegeben, das einen guten Gesprächsstoff liefert.

Ein wichtiger Teil der polnischen Bierkultur ist das polnische Bierfest, das jedes Jahr im Herbst in der Stadt Poznań stattfindet. Dieses Festival ist eine Hommage an das Oktoberfest in München und bietet eine große Auswahl an polnischen Bieren sowie traditionelle polnische Speisen und Musik. Auch werden während vieler anderer lokaler Festivals in ganz Polen verschiedene Alkoholsorten zum Probieren angeboten. Manchmal kann man dort wahre Schätze entdecken (Tipp: Unbedingt das Pflaumenfest bei Łącko in den Beskiden besuchen, nicht nur wegen Pflaumen und Vitaminen…).

Ähnlich wie in Deutschland ist das Biertrinken auch in Polen eine soziale Angelegenheit und wird oft in Gruppen genossen. Tausende Restaurants und Bars bieten verschiedene Biersorten als das absolut basale Getränk und unumgängliche Element jedes fröhlichen Beisammenseins. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Polen nicht viel von Deutschland oder Österreich. Es lohnt sich dabei, nicht nur die gezapften Biersorten, sondern auch Flaschenbiere zu beachten. Immer öfter lassen sich in lokalen Kneipen auch lokale, nur in diesem konkreten Ort hergestellte und verkaufte Sorten finden. Vor lauter Genuss darf man aber nicht vergessen, dass Alkoholtrinken im öffentlichen Raum verboten ist und mit einer Geldbuße enden kann.

Brauereien in Polen

In fast jedem Restaurant und in jedem Supermarkt lassen sich populäre Biersorten wie Tyskie, Lech oder Żubr entdecken. All diese werden von der Kompania Piwowarska produziert und vermarktet. Es ist eine polnische Brauerei-Gruppe, die 1999 gegründet wurde. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Posen und ist einer der größten Bierproduzenten in Polen.

Ebenso populär sind die südpolnischen Marken Żywiec und Warka, die von der Grupa Żywiec hergestellt werden. Das 1998 gegründete Unternehmen betreibt mehrere Brauereien in Polen und beschäftigt mehrere tausend Mitarbeiter. Grupa Żywiec ist auch bekannt für seine Aktivitäten im Bereich der Nachhaltigkeit und engagiert sich für Umweltschutz und soziale Verantwortung. Interessanterweise war die im Beskiden-Gebirge, an der Grenze zwischen Kleinpolen und Schlesien gelegene und ursprünglich als Erzherzögliche Brauerei Saybusch bekannte Brauerei in den Händen der Habsburger. Erst nach dem Zweiten Krieg wurde sie verstaatlicht und Ende des 20. Jahrhunderts privatisiert. Angeblich lässt sich in diesem polnischen Bier immer noch der wohlbekannte Geschmackston der Österreichisch-Ungarischen Monarchie erkennen, der besonders in Südpolen nicht vergessen wurde und mit einer Prise Sentiment heraufbeschworen wird.

Beachtenswert sind ohne Zweifel auch lokale Brauereien, die in letzter Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnen. Die schlesische Brauerei Namysłów ist bekannt für ihre handwerklich gebrauten Biere und bietet eine Vielzahl von Sorten an. Ihre Lagerbiere scheinen auch sogar gegenüber großen Marken konkurrenzfähig zu sein. Die Brauerei Kormoran aus Allenstein (Olsztyn) in Ermland ist eine kleine Brauerei, die sich auf handwerklich gebraute Biere spezialisiert hat und für ihre kreativen und ungewöhnlichen Biere bekannt ist. Empfehlenswert sind vor allem ihre dunklen Sorten. Ebenso anziehend sind die in der Nähe von Gdańsk hergestellten originellen Raritäten der Brauerei Amber. Eine der ersten Craft-Beer-Brauereien in Polen war Browar Pinta in Wieprz. Nach einer Besichtigung der großen Erzherzöglichen Brauerei in Żywiec muss also ein Besuch und eine Verkostung bei Pinta folgen – die beiden sind nur ein paar Kilometer voneinander entfernt!

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